Der gestiefelte Kater

22. Dez 2020
Irene Briner

Wann, wenn nicht jetzt ist es Zeit für Märchen!

Weil die Erzählstunden spärlich gesät waren im zu Ende gehenden Jahr, habe ich mehr Zeit gefunden zum Zeichnen und Illustrieren.

Hier meine gepunktete Faltkarte zum gestiefelten Kater. Alle Punkte sind mit einem Finliner 0.1 gesetzt. Die Farbtupfer habe ich mit wasservermalbaren Farbstiften gemacht. Die Farbpigmente habe ich mit dem Zeigefinger und einem Papierstift verwischt.

Die Geschichte vom gestiefelten Kater gewährt einen spannenden Einblick in die Welt von kleinen und grossen Firmen und in die Seelen von Unternehmern und CEOs. Nach der witzigen Lektüre haben wir eine klitzekleine Ahnung, wie trick- und listenreich diese Welten funktionieren.

Das Märchen zeigt natürlich auch wie Kleider Leute machen, den sozialen Aufstieg und Wandel eines armen Schluckers, dass Rache ein Antrieb ist und wie leicht es sein kann, sich mit wiederholten und klug gewählten Geschenken beliebt zu machen.

Und auch dieses Märchen ist älter, als man denkt:

Die älteste mir bekannte Variante habe ich in der Sammlung «Die ergötzlichen Nächte» von Giovan Francesco Straparola di Caravaggio, erschienen um 1550 in Venedig, gefunden.

So beginnt nach einer kurzen Vorrede diese alte Geschichte:

«Es lebte einmal in Böhmen eine alte, sehr arme Frau, Soriana genannt, die drei Söhne hatte, von denen der eine Dusolino, der zweite Thesifone und der dritte Costantino Fortunato hiess. Sie besass auf der Welt nichts weiter von Wert als drei Dinge: einen Backtrog, in dem die Frauen den Brotteig kneten, einen Brotkorb und eine Katze. Als nun Soriana, die schon hochbetagt war, sterben musste, vermachte sie in ihrem letzten Willen Dusolino, ihrem ältesten Sohne, den Backtrog, Thesifone den Brotkorb und Costantino die Katze. …»

Ja, und wo ist denn nun der Kater?

Keine Sorge, aus der Katze sollte bald ein Kater werden. Doch noch in der Sammlung «Das Märchen der Märchen. Das Pentamerone» (erstmals erschienen 1634 bis 1636) des unvergleichlichen neapolitanischen Giambattista Basile ist das «billigste» Erbstück des jüngsten Sohnes eines alten armen Mannes eine Katze.

Aber dann wird bei Charles Perrault in seiner 1697 erschienen Sammlung «Histoires ou Contes du Temps Passé, avec des Moralités» aus der Katze, die bis dahin auch keine Stiefel brauchte für all ihre Pläne zugunsten des jüngsten Sohnes, ein Kater. Ein gestiefelter Kater.

Interessant ist, dass die Geschichte bis zu ihrer Aufnahme 1812 in die Sammlung «Kinder- und Hausmärchen» der Brüder Grimm in ihren Grundzügen sonst ziemlich gleich geblieben ist.

Allerdings hat es die Geschichte vom schlauen Kater nicht bis in die Ausgabe letzter Hand von 1857 der Brüder Grimm geschafft. Die Brüder befanden, dass ihre Variante derjenigen von Perrault zu ähnlich war und nahmen sie ab der 2. Ausgabe nicht mehr auf. Heute ist «der gestiefelte Kater» als Anhang Nr. 5 aufgeführt.

Die für mich nach wie vor beste Ausgabe der grimmschen Märchensammlung ist diejenige in drei Bänden von Heinz Rölleke in der Reclam Universalbibliothek (die berühmten, kleinen gelben Taschenbücher). Darin sind nämlich auch die Originalanmerkungen der Brüder Grimm und ein Anhang mit sämtlichen, nicht in allen Auflagen veröffentlichen Märchen mitsamt Herkunftsnachweisen enthalten. Was sehr spannend ist.

Auf der Webseite grimmstories.com ist natürlich auch unsere Geschichte vom gestiefelten Kater zu finden. Dieser Link führt direkt zum Märchen:

https://www.grimmstories.com/de/grimm_maerchen/der_gestiefelte_kater

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