Der Stein als Zutat für die beste Suppe der Welt

14. Nov 2020
Irene Briner

Heute beginnt in der Aargauer Zeitung, AZ Freiamt, eine märchenhafte Serie. Meine Freude darüber, dass ich mit einer Geschichte den Anfang machen kann, ist gross. Märchenhaft! Danke!!!

https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/freiamt/neue-serie-maerchen-heben-die-laune-in-schwierigen-zeiten-139860692

Ein Stein als Zutat für die beste Suppe der ganzen Welt

Das Rezept ist hier. Natürlich, wie es sich gehört für mich als Erzählerin, ist das Rezept verpackt in eine witzige Geschichte.

Eine Nonne ging betteln. Sie kam an die Tür eines Bauern, aber sie wollten ihr nichts geben. Die Klosterschwester war zum Umfallen hungrig und sagte: „Na, dann will ich sehen, dass ich mir eine Steinsuppe mache.“ Und sie hob einen Stein vom Boden auf, putze die Erde ab und begann in zu betrachten, ob er sich für eine Suppe eignete. Die Leute aus dem Haus konnten sich vor Lachen über die Nonne und über ihren Einfall nicht halten. Da sagte die Klosterschwester: „Wie, habt ihr nie Steinsuppe gegessen? Ich kann euch sagen, das ist eine leckere Sache.“

Sie antworteten ihr: „Nun, dann zeig uns das mal.“

Das wollte die Nonne nur hören. Nachdem sie den Stein saubergemacht hatte. Sagte sie: „Könnt ihr mir wohl einen Topf leihen?“

Man gab ihr einen Topf aus Steingut. Sie füllte ihn mit Wasser und legte den Stein hinein. „Wenn ihr mich jetzt den Topf ans Feuer stellen liesset…“ Man liess sie gewähren. Sobald das Wasser im Topf zu sieden begann, sagte sie: „Mit ein wenig Anke würde die Suppe vorzüglich werden.“ Man holte ihr etwas Anken. Die Suppe kochte und kochte, und die Leute aus dem Hause liessen den Mund offen stehen vor Verwunderung. Da probierte die Nonne die Suppe und bemerkte beiläufig: „Sie ist ein wenig fad. Es fehlt unbedingt eine Prise Salz.“

Man gab ihr auch noch das Salz. Sie schmeckte die Suppe ab und sagte: „Wenn jetzt noch ein paar junge Kohlblätter dazukämen, würde die Suppe himmlisch schmecken.“

Die Frau des Hauses ging in den Garten und brachte ihr zwei Kohlköpfe. Die Nonne säuberte sie, zerpflückte sie zwischen den Fingern und liess die Blätter in den Topf fallen. Als die Kohlblättchen gar waren, sagte sie: „Also, ein Stück Wurst würde der Sache die Krone aufsetzen…“

Man brachte ihr ein Stück Wurst. Sie warf es in den Topf und während es kochte, zog sie Brot aus ihrem Rucksack und schickte sich an, gemächlich zu essen. Die Suppe roch, dass es eine Wonne war. Sie ass und leckte sich die Lippen ab, und nachdem sie den Topf geleert hatte, blieb der Stein auf dem Boden zurück. Die Leute aus dem Haus hingen mit den Augen an ihr und fragten sie: „Sagt, Frau Klosterschwester, und der Stein?“

Da antwortete die Nonne: „Den Stein, den wasch ich und nehm ihn für das nächste Mal mit.“

Und so kam sie zu einem Essen, wo man ihr nichts geben wollte.

(Das Märchen «Die Steinsuppe» ist aus Uther, die schönsten Märchen vom Essen und Trinken. Knaur-Taschenbuch. Leider vergriffen und darum nur noch antiquarisch erhältlich. Sanfte Bearbeitung durch Irene Briner.)

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